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Unser Aufenthalt in Uganda 2017

Mit gemischten Gefühlen machen wir uns auf den Weg zum Flughafen Zürich-Kloten.
In Gedanken bereiten wir uns im Flugzeug auf die kommenden Gespräche in der Gilgal Primary School und bei den Anwälten vor. Der Verein soll in eine Stiftung nach ugandischen Stiftungsbestimmungen umgewandelt werden. Termine ansetzen ist das eine, die Leute für die Sitzungen und Verhandlungen zu gewinnen ist etwas ganz Anderes. Mehr als zwei Sitzungen pro Tag schafft kaum jemand. Das Verkehrschaos, Pannen und unvorhergesehene Überraschungen jeglicher Art sind in Ostafrika deine „treuen“ Begleiter. Wir melden uns vor zwei Uhr morgens am Portal des African Village. Geduldig warten wir auf den Pförtner. Erst nach etwa zehn Minuten hören wir schlurfende Geräusche. Um drei Uhr liegen wir müde auf unseren Matratzen und gönnen uns ein paar Stunden Schlaf. Kaum gibt der Muezzin Ruhe, beginnen die Vögel zu singen, nicht diskret, nicht einer, sondern Tausende. Der Gesang und das Gezwitscher tönen aber sehr fröhlich. „Tuuu – tuuu – tu–tu-tu-tu“. Dieser gefiederte Kollege beherrscht den Rhythmus genau und ist jeden Morgen unser zuverlässiger Wecker. Uganda ist eines der wichtigsten Paradiese für Ornithologen in der Welt.

 

Von der Vereinsform zur Stiftung
Die Schule ist derart stark gewachsen, mit ihr auch die technischen Anlagen (Solar, Wasserreinigung, Pumpen, Tanks, allgemeine Elektrifizierung, Wasserleitungen, Büros, Computer, Krankenstation usw.), dass diese auch nach mehr Unterhalt verlangt. Ca. 530 Kinder, 20 Lehrkräfte und 15 Angestellte sind auf eine funktionierende Infrastruktur angewiesen. Der Unterhalt und die Lösung von diversen Problemen können nicht mehr effizient von der Schweiz aus geregelt werden. Wir müssen die Zuständigkeiten zwischen pädagogischer Arbeit, Kinderbetreuung und Unterhaltsarbeiten (technischer Dienst) neu aufteilen. Die Entscheidungswege werden bedeutend verkürzt und fähige Ugander müssen Verantwortung für die einzelnen Bereiche übernehmen.


Empfang in der Schule
Wir müssen uns beeilen, die ganze Gilgalschule erwartet uns um elf Uhr zum grossen Empfang. Wir steigen aus dem Auto. Vor uns befinden sich die 530 Kinder und etwa 120 Erwachsene, die uns fröhlich singend und mit Musik willkommen heissen. Die ganze Arbeit ist mit viel Arbeit und Mühe verbunden, doch wenn wir die Kinder sehen, wie sie fröhlich singend und tanzend auf uns zukommen, geht unser Herz auf. Sie gehören genauso zur Schöpfung wie wir, nur haben wir die Chance und Möglichkeiten uns nach Gutdünken zu entfalten. Diesen Waisen und Halbwaisen werden die Steine nicht aus dem Weg geräumt. Wir haben die Möglichkeit ihnen zu helfen. Ein Polizeioffizier betont, dass Christen ihren Respekt nicht durch fromme Worte, sondern durch ihr Handeln verdienen. Recht hat er. Die Einweihung der neuen Krankenstation, der neue Lehrerarbeitsraum, die Büros, die Nassräume für die Krankenzimmer werden offiziell eröffnet. Ein gelungenes Gebäude.
Wir treffen Amelia Kyambadde-Ssekidde in Mukono. Sie wird wahrscheinlich das Präsidium unserer Stiftung übernehmen. Sie ist eine langjährige gute Freundin mit viel Sachverstand, da sie als „Residential Director“ einer grossen Schule mit 1700 Studenten und Studentinnen amtiert. Sie ist eine unserer Beraterinnen auf dem Weg zur Stiftung, auch öffnet sie uns die Türen zu wichtigen Instanzen und Personen, die uns hilfreich beistehen.
Aufgaben wie Finanzen, Unterhalt, Personalführung werden an die kompetenten Stiftungsgremien delegiert. Eine sinnvolle Entflechtung, weil eine Person allein allen Aufgaben nicht gerecht werden kann. Die Sitzung verläuft für uns positiv, weil viele Befürchtungen der bisherigen Schulleiterin ausgeräumt werden können. Nichts wird rasch gemacht. Die sozialen Systeme, Verkehr (keine leistungsfähigen Personentransportmittel) und Kommunikation sind derart anfällig, dass Zusammen- und Unterbrüche zum Normalfall werden. Die daraus resultierenden Verluste für die Volkswirtschaften sind gigantisch. Produzieren und sinnloses Warten werden sich oft die Waage halten. Wir sind immer froh und dankbar, wenn etwas in einem vernünftigen Zeitrahmen abgewickelt werden kann. Bis jetzt hatten wir grosses Glück. Heute geht es auf der Jinja Road nach Kampala, der Albtraum aller Verkehrsteilnehmer.
Am Mittwoch wird Olivia Nakashima uns in ihrer Töpferwerkstatt empfangen, denn wir brauchen wieder Nachschub für unsere Märkte in der Schweiz. Die Autofahrt nach Kampala löst bei uns schon heute ein mulmiges Gefühl aus. Die vielen ungefilterten Diesellastwagen bringen die Anwohner an der Transitachse Kenia-Uganda-Ruanda beinahe zum Ersticken. Wer spricht hier schon von CO2-Ausstoss und krebsfördernden Partikeln? Abends werden wir die russigen Hemden in den Wäschesack werfen und den Dieselmief vom Körper abduschen. Nach zu langer Fahrt windet sich unser 4x4-Fahrzeug ein kleines Strässchen zu Olivia the potter hoch. Mein Magen wird arg geprüft. Olivia betreibt mit ihrem Bruder und ihrer Schwester eine Töpferei. Ihre Arbeiten sind von hoher Qualität und teilweise aufwendig hergestellt. Sie zeigte uns auch, wie sie die verschiedenen Glasuren herstellt. Die Produkte dieses Kunsthandwerks finden in der Schweiz über verschiedene Märkte ihre Abnehmer.
Die Wetterkapriolen erschweren das tägliche Leben der Ugander. 85 % der Bevölkerung leben von ihrem Garten. Die Trockenheit der letzten beiden Jahre bewirkte, dass Hunger nicht zum Fremdwort, sondern bei vielen Menschen wieder Wirklichkeit wurde. Jetzt hat sich die Lage wieder beruhigt. Die Hacke über der Schulter gehen die Menschen aufs Feld und kommen mit ein paar Süsskartoffeln und Grünzeug zum Mittagessen wieder vom Feld zurück, Alltag in Uganda.

Unser Anwalt erwartet uns nach dem Mittagessen in seinem Büro. Er erklärt uns während einer Stunde, was zur Bildung einer Stiftung gehört. Er macht auf uns einen vorzüglichen Eindruck und weiss genau, wovon er spricht. Wir verlassen Kampala um 17 Uhr und fahren ca. 40 km zurück zu unserem Aufenthaltsort: Es dauert genau zweieinviertel Stunden. Was für ein Energie- und Zeitverschleiss, keine Bahnen, keine Massentransportmittel, dafür viel Dieselgestank, Staub und Rauch. Trotzdem sind wir mit dem Erreichten zufrieden. Es ist nicht nur gesprochen worden. Die nächsten Schritte wurden verbindlich aufgegleist. Alle Beteiligten wissen, was sie zu tun haben.
Matz erbarmt sich der Computer in der Gilgal Primary School und gibt dem Computer-Verantwortlichen brauchbare Tipps zur Reorganisation der Anschlüsse und des Druckers, auch das wilde Kabelpuzzle soll entwirrt werden. Matz macht sich unmittelbar an den Wasserreiniger. Das System läuft über Filter und UV-Strahlenreinigung. Zudem befördert eine Pumpe das Wasser von den grossen Wassersammeltanks zur Reinigungsanlage und weiter in den Trinkwassertank. Mit dem Wachstum der Schule musste die technische Infrastruktur ausgebaut werden; Elektrizität, Licht, Solartechnologie, Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Wasserhaushalt (Regenwassertanks: 80'000 Liter), WCs und Duschen, Landwirtschaft mit Gerätschaften und Wasserfassung – und dazu kommt der ganze Schulbetrieb mit Schulmaterial mit 530 externen und internen Schülern und Schülerinnen. Diese werden von insgesamt ca. 35 Erwachsenen (Lehrerschaft, Kochteam, Haushälterinnen, Wachen usw.) betreut. Die ganze Anlage kann mit einem kleinen Dorf verglichen werden. Das Schulgelände steht auf zwei Hektaren Land und umfasst heute 17 Häuser. Der letzte Bau wurde nach unserer Ankunft eingeweiht. Er umfasst eine Krankenstation, drei kleine Büros für die gesamte Administration, drei WCs mit Duschraum und ein grosses Arbeitszimmer für die Lehrerschaft. Die Verantwortlichkeiten für den ganzen Unterhalt werden in der Stiftung neu definiert und die Finanzierung wird von den pädagogischen Aufgaben abgekoppelt.

 

Landwirtschaft und Schulgarten
Auf dem Weg nach Namaliri entdecken wir ein Heer von Arbeitern und Arbeiterinnen, die einen Graben für eine Wasserleitung ausheben. Über fünf km Distanz wird nur mit einer Gartenhacke bewaffnet ein etwa 90 cm tiefer Graben ausgehoben.
Am Nachmittag geht es aufs Land. Der Augenschein zeigt, dass die Landwirtschaft eigentlich auf gutem Wege ist. Die Schulleiterin meinte, dass bald mehr in Richtung Intercropping unternommen werden soll. Die richtigen Pflanzen müssen kombiniert werden, das verträgliche Nebeneinander, die Düngart und die Grösse sind die ausschlaggebenden Faktoren. Kaffeepflanzen dominieren leicht, weil diese der Schule als cash crop dienen. Endlich können wir sagen, dass der Kaffee prächtig gedeiht. Wir fahren zufrieden zurück zu unserer Schulbasis. Die Schulgärten innerhalb des Schulgeländes sind wirklich in einem sehr guten Zustand, viele verschiedene Gemüse und einige Früchte erfreuen das Auge. Wir hatten selbst die Möglichkeit, uns afrikanisch zu ver-köstigen: Matoke (Gemüsebananen), Cassava (Maniok), Jams usw.


Wasser ist Leben
Der Sanitär Lawrence erwartet uns am Freitagmorgen. Die Wasserreinigungsanlage von aquapuraswiss verlangt nach jahrelangem Einsatz eine gründliche Revision. Wir sind zuversichtlich, dass der water purifier seinen Dienst wieder klaglos übernehmen wird. Wasser ist das Lebensexilier Afrikas. In der Zwischenzeit mussten wir mit Holz Wasser abkochen, nicht nur umständlich, auch teuer und sinnlos, weil Holz sehr teuer ist.
Matz begibt sich am Nachmittag auf Virenjagd. Die Computer müssen regelmässig überprüft werden.
Am Freitag müssen wir mit der Schulführung und der Schulleiterin viele Absprachen wegen der Zuständigkeit für Unterhaltsarbeiten der technischen Installationen treffen. Der Unterhalt ist für uns ein finanzielles Problem, weil die Handwerker in Uganda unterdessen bedeutend höhere Löhne verdienen als die Lehrer. Überhaupt geht die Einkommensschere in den meisten ostafrikanischen Ländern auf ungute Art und Weise auseinander.
Priska und Maureen inspizieren das Schulgelände. Zudem schauen sie in die drei Waisenhäuser und bemerken, dass alle Räume in einem sehr ordentlichen Zustand sind. Die Pflegeangestellten schlafen in diesen Räumen und sind für die Hygiene verantwortlich. Ab dem achten Lebensjahr müssen die Kinder ihre Kleider selber waschen. Sie lernen das Waschen spielerisch ab dem 4. Lebensjahr, vielleicht geht dieser Prozess eher unter Wasserplanschen und ist lustig anzusehen. Am Morgen ist um sechs Uhr Tagwacht. Die Kinder pflegen makellos gemäss einer Liste die Räume. Unser Problem ist, dass einige kleine Kinder zu zweit im gleichen Bett schlafen. Ein projektierter Erweiterungsbau wird diesem Zustand Abhilfe schaffen. Um 15 Uhr wurde das vegetarische Mittagessen serviert: Jams, Matoke, Cassava, Wurzelgemüse und Kochbananen. Ich bin jedes Mal froh, wenn ich kein Fleisch essen muss.


Die Zeit wird knapp
Die Zeit wird für uns knapp. Bis Dienstag braucht es noch Gespräche mit zwei Rechtsanwälten, zwei Schulleitern und einer Schuldirektorin. Zudem müssen auch Papiere bereitgestellt und kopiert werden. Wir arrangieren wichtige Treffen, die nicht in unserer Anwesenheit stattfinden müssen. Die Schulführung wird langsam auch hier gesprächsorientiert und die Schulleiter müssen sich das psychologische Handwerk, den gewinnenden Umgang mit Menschen aneignen. Wir füllen die verbleibenden Tage mit dringenden Terminen. Ich denke mit einem Lächeln an die „Schöni Färie“-Wünsche von Bekannten und Kollegen vor unserem Abflug. Wir leisten uns am Sonntag einen freien Tag. Das instabile Wetter kündigt die grosse Regenzeit an. Die Vegetation ist auf das Wasser unbedingt angewiesen. Nach zwei trockenen Jahren mit grossen Schäden in der Landwirtschaft atmen die Menschen und die Natur spürbar auf. Wir können beinahe zuschauen, wie sich die Pflanzen erholen.
Wieder einmal fahren wir mit dem Toyotabus von Mukono nach Namaliri. Unterdessen haben alle die Nase voll von dieser Reise. Es ist unbequem und zuweilen stickig heiss. Der Magen will sich nur langsam beruhigen und das verhasste Imodium findet seinen Weg in meinen Magen. Oft bewirkt es Verstopfung, bevor sich der ganze Speisezettel nach drei Tagen wieder präsentiert. Endlich in Namaliri angekommen, machen sich alle an ihre Arbeit. Matz widmet sich als Elektroingenieur der Solaranlage. Ein anderer Fachmann der Solarfirma All In Trade aus Kampala untersucht mit Matz, wo der Hund steckt. Sie werden bald fündig und es zeigt sich, dass eine solche Anlage sehr gut gewartet werden muss und unbefugte „Fachleute“ ihre Finger besser davon lassen. Ihre Arbeit nimmt etwa vier Stunden in Anspruch und wir werden sie wieder neu konfigurieren und sicherstellen, dass nur „autorisierte“ Fachleute Hand anlegen. So wird diese Anlage wieder zum Segen werden. Alle Arbeiten sind enorm gesprächsintensiv, weil solche Anlagen die Fähigkeiten mancher Ugander sehr oft enorm fordern. Der ugandische Solar-Manager ist fähig, er hat uns zur Vereinfachung der Systeme beraten, ohne Verlust auf der Leistungsseite.
Priska, Maureen und ich beschäftigen uns gleichzeitig mit der Schulstruktur und mit dem Aufbau eines zeitgemässen Schulmanagements. Ugander sind sich an einen Chef gewohnt. Unser Schulkomitee besteht aus drei Personen. Wir verlangen eine gesprächsorientierte Kultur der Lösungswege. Diese Verlagerung der Schulführung macht in Ostafrika Schule, weil sie verschiedene Lösungsansätze für Probleme favorisiert und Verordnungen nicht „einfach“ von oben herab auf das Lehrerteam fallen. Das erfordert Respekt und waches Zuhören. Ideen werden aufgenommen und allenfalls wieder verworfen. Dieses Prinzip erfordert persönlichen Respekt und Willen zur Zusammenarbeit. Das Einführen von neuen Umgangsformen erfordert Geduld und Zeit. Bei Fragen wird schnell einmal genickt und Ja gesagt. Also stellt sich rasch einmal die Frage, wie man Sicherungen einbaut, um in der Folge keine bösen Überraschungen erleben zu müssen, besonders in Form von Reparaturen und missverstandenem Schulmanagement.
Der Wandel auf allen Ebenen vollzieht sich in Ostafrika in einem atemberaubenden Tempo. Ich schaue doch mit viel Respekt auf das Erreichte der letzten 13 Jahre zurück. Betrachten wir die Gilgal Primary School, so steigen wir doch sehr zuversichtlich ins Flugzeug ein und treten die Heimreise an.


Peter Schnyder, Präsident

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