
Unser Aufenthalt in Uganda 2016
Am 8. September 2016 machten sich der Vorstand und ein Sponsor auf die grosse Reise nach Uganda. Die Swiss brachte uns am frühen Morgen nach Brüssel, wo wir nach kurzem Aufenthalt in die Brussels Airlines umstiegen und Entebbe direkt ansteuerten. Nach der fünften Flugstunde wird der Sitz unbequem und Langeweile kehrt ein. So waren alle heilfroh, dass der Kapitän nach achteinhalb Stunden Flug die bevorstehende Landung in Entebbe ankündigte.
Robert, unser Fahrer, stand schon am Flughafen mit einem Kollegen bereit und wir fuhren in zweieinhalb Stunden zu unserer Basis ins African Village in der Nähe von Mukono, etwa 80 Kilometer vom Flughafen Entebbe entfernt.
Der Empfang war wie jedes Jahr überwältigend. Es sind bestimmt die 530 leuchtenden und strahlenden Kinderaugenpaare, die uns glücklich machen. Ihre Hoffnung ist mit unserer Präsenz verbunden, nämlich den Weg mit ihnen weiter zu gehen. Schon einige Ehemalige haben einen Beruf ergriffen, wenige haben studiert und stehen uns heute beiseite. Was die Kinder uns an Tanz und Gesang anboten, war von umwerfender Qualität. Solange Kinder zur Schule gehen und essen können, haben sie keine Sorgen. Für sie bist DU als Gönnerin und Gönner, wir als Vorstand, die Mitarbeiter in Gilgal Primary School Vater und Mutter in Personalunion - und Eltern lassen ihre Kinder nicht im Stich.
Während den Produktionen der Kinder brach plötzlich Unruhe aus: Wer rüttelt derart heftig an meinem Stuhl? Der grosse afrikanische Grabenbruch des Great Rift Valley machte sich bemerkbar. Das Erdbeben vom 10. September mit Epizentrum am östlichen Ufer des Viktoriasees in Tansania verursachte bei etlichen Anwesenden spürbare Angst und Bereitschaft ins Freie zu springen. Doch hielten unsere Gebäude, Gott sei Dank, den Erdstössen stand. Nach ein paar Minuten liess die Heftigkeit nach und wir beklagten keine Schäden. In Tansania hingegen kamen doch etwa 15 Menschen ums Leben und viele Gebäude wurden zerstört.
Es war unser 13. Besuch in Uganda. Wir sind überhaupt nicht abergläubisch – aber es wurde zu unserem schwersten Besuch. Die ersten zehn Tage waren mit einem satten Arbeitsprogramm gefüllt. „Aller schlechten Dinge sind drei“:
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Kurz nach der ersten Kontaktnahme eröffnete uns die Schulleitung, dass die Schule kein Geld mehr für Nahrungsmittel habe. Natürlich hatten wir von der Dürre und allgemeinem Wassermangel in Ostafrika gelesen. Die letzte Regenzeit fand ganz einfach überhaupt nicht statt. Das Gemüse wächst nicht, die Gemüsebananen sind braun, die Ananas bringt nur das halbe Gewicht auf die Waage. In der Landwirtschaft betragen die Ausfälle zwei Drittel und im neuen Schulgarten werden die Gemüsebananen (unser Glücksfall) sorgfältig gehätschelt, der Boden, hart wie Stein, wird nicht aufgebrochen, damit die noch vorhandene Feuchtigkeit nicht entweichen kann. Sobald der Regen einsetzt, wird der Boden mit grobem Gerät aufgebrochen, damit das Wasser den Weg in den Boden findet und nicht abgeschwemmt wird. Dann werden Früchte und Gemüse neu angepflanzt. In der Landwirtschaft haben einige Kaffeesträucher und der Gemüseanbau beinahe Totalschaden erlitten. Nach den bedeutenden Ernteausfällen hoffen wir in der Novemberregenzeit auf einen Neustart, um unsere Landwirtschaft und Schulgarten wieder fit zu kriegen, sie sind überlebenswichtig.
Bis jetzt waren wir in der Lage, den Kindern zwei Mahlzeiten pro Tag zu geben, doch nicht wenige Menschen müssen sich in Uganda im Moment mit einer Mahlzeit bescheiden. Die Lebensmittelpreise schnellten wegen dem knappen Angebot um 40% in die Höhe.
Die Ugandareisenden mussten auf die Schnelle 3‘500 US-Dollar aufbringen, um die Nahrungsmittelsituation an der Schule für den September zu retten. WASSER! Wir öffnen den Wasserhahn und bekommen bestes Trinkwasser. Grossartig. Über Wasser reden ist das eine – Wassermangel zu erleben schockiert uns. Sind wir dankbar für diesen Luxus in der Schweiz? Sauberes Wasser ist nur in wenigen Ländern eine „Selbstverständlichkeit“. -
Die Schule wurde Opfer eines Cyber-Angriffs. Hacker verschafften sich Zugang zum e-mail Konto der Schulleitung und starteten einen Pseudo-Briefwechsel zwischen uns und der Schulleiterin, Harriet Namasopo. „Diese Aktion“ kostete uns 28‘000 Franken. Unsere Schulleiterin machte während 12 Jahren einen perfekten Job. In dieser Situation handelten aber sie und ihre Mitschulleiter sehr leichtgläubig und leichtfertig. Der Verein legte in der Schweiz einen Fonds von 50‘000 US-Dollars an. Wir wollten mit diesem Fonds die Gründerfamilie Murenzi bei einer Schulübergabe an eine starke Institution für ihr Land und ihre Arbeit aus der Anfangszeit freiwillig entschädigen, weil sie für beinahe Gotteslohn einen gewaltigen Einsatz leisteten. Im Gespräch mit Harriet Namasopo haben wir uns schweren Herzens entschieden 25‘000 US-Dollars dem Murenzifonds zu entnehmen, um auf diesem Wege 83% des Schadens zu decken. Der Rest wird aus dem Vorstand beglichen.
Glücklicherweise war Matthias zur Stelle, der den Schulcomputer untersuchte. Dieser war hochgradig mit Viren und spionierenden Trojanern verseucht. Es kostete Matthias viele Stunden, um die ganze Anlage zu „reinigen“ und mit einem funktionierenden Virenschutz zu versehen. Kurz vor unserer Abreise war alles wieder auf Kurs und wir bauten in der Kommunikation mehrfache Sicherungen ein. Die Google- und Yahoo-Adressen sind nicht nur in Afrika das grosse Problem. Die Schäden der Computermanipulationen belaufen sich auf Hunderte von Millionen Dollars. Die Schadenklagen gegen die Provider sind gigantisch, wahrscheinlich aber nutzlos. In Grossbritannien allein wurden z.B. die Konten von 8,5 Millionen verschiedenen Yahoo-Adressen geknackt. -
Offenbar waren die elektrischen Installationen von derart niedriger Qualität, dass ein Kabelbrand zwei Tage vor unserer Ankunft ausbrach. Massimos Knowhow war gefragt und er machte sich gleich mit seinem eigens mitgebrachten Elektrikerwerkzeug auf die Socken. Er entwirrte das Kabelknäuel, schaffte Ordnung und identifizierte die gefährlichen stromleitenden Kabel, um diese unschädlich zu machen. Wir hoffen, dass unsere Brandversicherung den Schaden ganz oder teilweise übernehmen wird.
Ist Afrika der Abfallkübel Europas und Chinas? Ein näherer Augenschein ergab, dass die Drähte und die Installation von niedrigster Qualität waren. Viel Elektromaterial kommt aus China und wird als kaum brauchbar eingestuft, gut genug für Afrika... Gleichzeitig erscheinen in Ugandas Zeitungen Artikel über stark verseuchte Dieselöllieferungen, billig aber stark gesundheitsgefährdend, gut genug für Afrika... Die Rohstoffhändler sitzen zum Teil in Zug und Genf. Gerechterweise muss erwähnt werden, dass viele Regierungen Afrikas mit den Lieferanten der Ramschware oft unter einer Decke stecken und mitkassieren. Zynischerweise erscheint nicht selten der Ramsch unter dem Titel Entwicklungshilfe der Lieferantenstaaten.
Gilgal Primary School - vom Verein zur Stiftung
Ruth Nampijja ist eine junge Anwältin. Sie war Halbwaise und entstammt einer Grossfamilie. Sie war immer eine sehr tüchtige Schülerin und wurde von uns in ihrer Ausbildung finanziell unterstützt. Heute vertritt und berät sie die Schule in rechtlichen Belangen. Wir trafen Ruth in Mukono zu einem Gespräch, um mit ihr die Schaffung einer Stiftung (Foundation) nach ugandischem Recht zu besprechen. Wir suchen nach der Gesellschaftsform, welche der Schule die grösste Rechtssicherheit bietet, und das ist die Stiftung. Nach der Besprechung mit Ruth und ihrem Partner Eric, beides Anwälte, haben wir unseren Plan der Schulleitung unterbreitet. Die Entscheidungsgremien der Stiftung stellen die Schule auf ein breiteres Fundament und die Stiftung garantiert den Fortbestand des Zwecks der Gilgal Primary, nämlich die Schulung von Waisen und sehr armen Kindern. Nochmals: Viele afrikanische Staaten schreiben Schulpflicht vor, doch müssen die Eltern Schulgeld entrichten. Kein Geld, keine Schule. In Uganda ist und bleibt ein Drittel der Kinder Analphabeten – die staatliche Statistik sieht besser aus... Wir werden unsere Sponsoren über die Stiftungsgründung auf dem Laufenden halten.
Viele Renovationsarbeiten an Gebäuden, innen und aussen, stehen an, neue WC-Gruben müssen ausgehoben werden. E.coli-Bakterien sterben in den Fäkalien nach zwei Jahren ab, so dass wir nach dem dritten Jahr die stillgelegten Gruben ausheben und den Inhalt mit Humus gemischt als Dünger ausbringen. Den restlichen Düngerbedarf werden wir mit Kaffeehülsen (coffee husks) abdecken, ein idealer Langzeitdünger.
Und schon wartet eine Solarfirma auf uns. Sie erhält den Auftrag, die ganze Anlage zu kontrollieren. Matthias und Massimo sind gefragt. Die Solarspezialisten attestieren, dass die Solargeräte selber in Ordnung sind, jedoch muss ein Teil der Verdrahtung und die Konfiguration neu erstellt werden, damit die Komponenten endlich optimal zusammenspielen können. Auch die Erdung weist Schwachstellen auf . Die Firma hinterliess einen sehr guten Eindruck und wir schauen nach vorne.
Die Sickbay (med. Behandlungszentrum, Vorbereitungsraum für Lehrer, Schulleiterbüro und Sekretariat) befindet sich noch im Bau. Durch den schon erwähnten Geldverlust stellte sich eine Verzögerung ein. Wir hoffen, dass wir auf Weihnachten unseren Sponsorinnen und Sponsoren die Bilder dieser Einrichtungen senden können.
Schlussendlich haben wir wunderschöne Töpferwaren eingekauft, die wir an verschiedenen Standaktionen zugunsten der Schule anbieten wollen. Allein dieser Gang zur Töpferin raubte uns einen Nachmittag. Die Verkehrsinfrastruktur in Uganda ist derart verkorkst, dass Geschäftsleute höchstens zwei Sitzungen pro Tag auf die Reihe bringen. Sobald du auf die Strasse musst, kannst du dich sicher in Geduld üben. Uganda hatte vor 11 Jahren 29 Millionen Einwohner, heute sind es 39 Millionen Einwohner und 500‘000 Flüchtlinge aus Somalia, dem Sudan und aus dem Kongo. An der Infrastruktur kommen die Verbesserungen nur schleppend voran, weil es an allem fehlt. Die Ugander sind eher sanfte Menschen. Sie pflegen einen guten Umgang mit Ausländern, auch mit Flüchtlingen, welche vom Staat ein Stück Land kriegen, um ihre eigenen Lebensmittel anzubauen. Leider leiden diese gegenwärtig unter der Dürre und können sich kaum über Wasser halten. Alle an Uganda angrenzenden Länder leiden unter Nahrungsmittelmangel und im Südsudan, an der ugandischen Nordgrenze, „ist schlicht und einfach der Teufel los, reine Weltuntergangsstimmung“ – so erzählte uns ein Freund, der Hilfsflüge ausführt, wenn er überhaupt landen kann. Im Südsudan schiessen die Hüter der Ordnung auf die eigene Bevölkerung, rauben sie aus, weil der Staat keine Löhne mehr bezahlt.
Liebe Gönnerinnen und Gönner
Der Vorstand des Vereins hat sich für eine offene Kommunikation entschieden. Es ist das erste Mal, dass wir mit derart massiven Problemen konfrontiert wurden. Die Bewältigung der verschiedenen Probleme hat uns einiges abverlangt. Bildung ist das beste Mittel gegen Korruption und Willkür.
Die Demonstrationen gegen Misswirtschaft nehmen besonders an den Hochschulen zu. Ich bin nicht sicher, wie willkommen gebildete Menschen in vielen Entwicklungsländer sind – sie stören die Kreise der Machthaber. Vor zwei Jahren versprach uns der staatliche Vertreter des Bildungsbezirks Mukono 2‘000 Schulbücher. Solche Aussagen werden mit einem müden Lächeln quittiert. Wir warten immer noch auf die Bücher. Gilgal Primary ist eine christliche Schule. Die Grundsätze des Evangeliums sind uns wichtig. Wir erziehen und unterrichten unsere Kinder gewaltfrei. Wir glauben und hoffen, dass sie einen positiven Beitrag an der Gestaltung der Zukunft ihres Landes leisten können. Die Ehemaligen bestärken uns in unserem Einsatz. 530 Kinder, 20 Lehrerinnen und Lehrer und 15 Angestellte arbeiten an diesem Projekt. Wir zählen auf deine weitere Hilfe und schauen zuversichtlich in die Zukunft.
Peter Schnyder, Präsident